Weißt du noch früher? Wir waren so alternativ, wir haben Bands gehört die man noch immer nicht kennt. Doch dann fing alles an sich zu drehen. Wie Dirk Bernemann schon vor zehn Jahren beteuerte, hat er die Unschuld kotzen sehen, und ich glaube das tut sie noch immer. Als ich dieses Buch gelesen habe, ging meine zumindest verloren. Wir alle müssen sterben, das weiß jedes Kind, und nicht nur du wurdest nicht gefragt ob du dieses Leben willst, jeder bekommt es aufgezwungen. Du bist keine spezielle Ausnahme. Wir sind alle Opfer des Zufalls. Und als wäre das nicht schon die Krone der Tragik in diesem Leben, nehmen wir es uns als größtes Ziel uns gegenseitig die Schädel einzuschlagen. In Gottes Namen. Das Töten hat mit Steinen begonnen und wird mit Steinen enden. Und du hast gesagt, wenn es einen Gott gibt, dann ist es nicht möglich, dass er dieser Enttäuschung standhält die wir darstellen. Kennst du dieses Gefühl? Abgrundtiefe, bodenlose Enttäuschung über etwas, dass du ins Rollen gebracht hast? Ich nicht. Ich habe gesagt ich habe Angst. Vor so vielen verschiedenen Dingen. Aber vor allem habe ich Angst zu vergessen, deshalb schreibe ich alles auf. Dinge zu vergessen, die mich ausmachen und schöne Erinnerungen. Meinen Charakter. Ich wollte immer Fotos machen, aber ich tat es doch nie. Früher sagte ich immer, ich habe ja keine Kamera. Jetzt habe ich ein Smartphone und fotografiere mein Essen, nicht mein Leben. Ich kann mit Fotos nicht umgehen. Ich schaffe es nicht ihnen Leben einzuhauchen. Aufschreiben kann ich. Du, du hast Angst dich zu erinnern, deshalb arbeitest du viel, damit du keine Zeit hast um nachzudenken und du sagst dir, es wird besser wenn du mehr Geld hast. Dann kannst du etwas bewirken. Du machst die Welt dafür verantwortlich, wie es dir geht. Du nennst deine Depression Mitleid und deine Hilflosigkeit Krieg. Wir haben es perfektioniert Dingen Namen zu geben um unser eigenes Gewissen zu beruhigen. Es ist um so vieles einfacher, wenn man jemand anderen dafür verantwortlich machen kann. Ich denke, dass ist der Hauptinhalt von Religion. Verantwortungslosigkeit. Du arbeitest, damit du die Welt verändern kannst, denkst aber nicht an das Wie und Wann. Das ist der Unterschied zwischen uns. Ich mache mich selbst dafür verantwortlich, dass es mir schlecht geht. Ich nenne meine Depression Unvermögen und meine Trauer Einsamkeit. Ich schreibe Sachen auf. Ich bin der Meinung auch Schmerzen haben das Recht, dass man sich an sie erinnert. Wir sind viel zu selten in der Lage, glückliche Dinge festzuhalten, denn man erinnert sich viel lieber an negatives. Damit kann man Menschen beeindrucken. Weißt du noch wie wir als Kinder durch den Wald gerannt sind? Was haben wir gelacht. Wie viele Narben erinnern uns daran? Denn das ist es was bleibt. Narben. Ein Schaden, den man versucht hat zu reparieren. Nur provisorisch, nichts was ewig hält. Ich frage mich wo wir uns so verloren haben. Nicht einander. Jeder für sich selbst. Ich blicke in den Spiegel und sehe einen Fremden. Eingefallene Wangen und ungesunde Haut. Trotz all meiner Notizen und beschriebenen Seiten. Wenn ich dir in die Augen schaue ist da nichts mehr von dem Feuer das da einst brannte. Wo ist diese Stadt, die wir mit unserem Leichtsinn in Flammen setzen wollten? Diese Welt die wir mit wehenden Fahnen erobern wollten? Dieses Universum, das in deinen Augen geglänzt hat, ich kann es nicht mehr sehen. Du bist ständig gelaufen, und hast nicht hinter dich geblickt, immer starr geradeaus. Eine Welle. Ein aufkommender Sturm. Und ich hinterher, direkt in deinem Windschatten. Doch jetzt stehst du still. Du stehst da und bewegst dich nicht. Dein Feuer ist erloschen. Du hast gesagt, wenn du tust was du liebst, lassen dich deine Geister ziehen. Doch du ziehst nirgendwo hin. In welche Richtung soll ich gehen, wenn ich dir nicht mehr hinter her laufen kann? Welches Feuer leuchtet meinen Weg? Es ist dunkel geworden um uns. Kein Blatt bewegt sich mehr im Wind. Nur meine Hände zittern leicht. Doch ich muss lächeln. Du hast gesagt im Auge des Sturms ist es still.